2  Mengen

2.1 Grundlegende Definitionen

Mengen fassen mathematische Objekte zusammen und bilden die Grundlage der modernen Mathematik. Wir beginnen mit folgender Definition.

Definition 2.1 (Mengen) Nach Cantor (1895) ist eine Menge \(M\) definiert als “eine Zusammenfassung von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten \(m\) unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die Elemente der Menge genannt werden) zu einem Ganzen”. Wir schreiben \[\begin{equation} m \in M \mbox{ bzw. } m \notin M \end{equation}\] um auszudrücken, dass \(m\) ein Element bzw. kein Element von \(M\) ist.

Zur Definition von Mengen gibt es mindestens folgende Möglichkeiten:

  • Auflisten der Elemente in geschweiften Klammern, z.B. \(M := \{1,2,3\}\).
  • Angabe der Eigenschaften der Elemente, z.B. \(M := \{x \in \mathbb{N}|x < 4\}\).
  • Gleichsetzen mit einer anderen eindeutig definierten Menge, z.B. \(M := \mathbb{N}_3\).

Die Schreibweise \(\{x \in \mathbb{N}|x < 4\}\) wird gelesen als “\(x \in \mathbb{N}\), für die gilt, dass \(x < 4\) ist”, wobei die Bedeutung von \(\mathbb{N}\) im Folgenden noch zu erläutern sein wird. Es ist wichtig zu erkennen, dass Mengen ungeordnete mathematische Objekte sind, das heißt, dass die Reihenfolge der Auflistung der Elemente einer Menge keine Rolle spielt. Zum Beispiel bezeichnen \(\{1,2,3\}\), \(\{1,3,2\}\) und \(\{2,3,1\}\) dieselbe Menge, nämlich die Menge der ersten drei natürlichen Zahlen.

Grundlegende Beziehungen zwischen mehreren Mengen werden in der nächsten Definition festgelegt.

Definition 2.2 (Teilmengen und Mengengleichheit) \(M\) und \(N\) seien zwei Mengen.

  • Eine Menge \(M\) heißt Teilmenge einer Menge \(N\), wenn für jedes Element \(m \in M\) gilt, dass auch \(m\in N\). Ist \(M\) eine Teilmenge von \(N\), so schreibt man \[\begin{equation} M \subseteq N \end{equation}\] und nennt \(M\) Untermenge von \(N\) und \(N\) Obermenge von \(M\).
  • Eine Menge \(M\) heißt echte Teilmenge einer Menge \(N\), wenn für jedes Element \(m \in M\) gilt, dass auch \(m\in N\), es aber zumindest ein Element \(n \in N\) gibt, für das gilt \(n \notin M\). Ist \(M\) eine echte Teilmenge von \(N\), so schreibt man \[\begin{equation} M \subset N. \end{equation}\]
  • Zwei Mengen \(M\) und \(N\) heißen gleich, wenn für jedes Element \(m \in M\) gilt, dass auch \(m \in N\), und wenn für jedes Element \(n \in N\) gilt, dass auch \(n\in M\). Sind die Mengen \(M\) und \(N\) gleich, so schreibt man \[\begin{equation} M = N. \end{equation}\]

Beispiel

Betrachten wir zum Beispiel die Mengen \(M := \{1\}\), \(N := \{1,2\}\), und \(O := \{1,2\}\). Dann gilt mit obigen Definitionen, dass \(M \subset N\), weil \(1 \in M\) und \(1 \in N\), aber \(2 \in N\) und \(2 \notin M\). Weiterhin gilt, dass \(N \subseteq O\), weil \(1 \in N\) und \(1 \in O\) sowie \(2 \in N\) und \(2 \in O\) und es kein Element von \(O\) gibt, welches nicht in \(N\) ist. Ebenso gilt \(O \subseteq N\), weil \(1 \in O\) und \(1 \in N\) sowie \(2 \in O\) und \(2 \in N\) und es kein Element von \(N\) gibt, welches nicht in \(O\) ist. Schließlich gilt sogar \(N = O\), weil für jedes Element \(n \in N\) gilt, dass auch \(n \in O\), und gleichzeitig für jedes Element \(o \in O\) gilt, dass auch \(o\in N\). Wir stellen diese Zusammenhänge schematisch mithilfe von Venn-Euler-Diagrammen in Abbildung 2.1 dar.

Abbildung 2.1: Venn-Euler Diagramme der Teilmengeneigenschaften der Mengen \(M := \{1\}\), \(N := \{1,2\}\) und \(O := \{1,2\}\).

Eine wichtige Eigenschaft einer Menge ist die Anzahl der in ihr enthaltenen Elemente. Diese wird als Kardinalität der Menge bezeichnet.

Definition 2.3 (Kardinalität) Die Anzahl der Elemente einer Menge \(M\) heißt Kardinalität und wird mit \(|M|\) bezeichnet.

Eine besondere Menge ist die Menge ohne Elemente.

Definition 2.4 Eine Menge mit Kardinalität null heißt leere Menge und wird mit \(\emptyset\) bezeichnet.

Als Beispiele seien \(M := \{1,2,3\}\), \(N = \{a,b,c,d\}\) und \(O := \emptyset\). Dann gelten \(|M| = 3\), \(N = 4\) und \(|O| = 0\).

Zu jeder Menge kann man die Menge aller Teilmengen dieser Menge betrachten. Dies führt auf den wichtigen Begriff der Potenzmenge.

Definition 2.5 (Potenzmenge) Die Menge aller Teilmengen einer Menge \(M\) heißt Potenzmenge von \(M\) und wird mit \(\mathcal{P}(M)\) bezeichnet.

Man beachte, dass die leere Untermenge von \(M\) und \(M\) selbst auch immer Elemente von \(\mathcal{P}(M)\) sind. Wir betrachten zunächst vier Beispiele zum Begriff der Potenzmenge.

  • \(M_0 := \emptyset\) sei die leere Menge. Dann gilt \[\begin{equation} \mathcal{P}(M_0) = \emptyset. \end{equation}\]

  • \(M_1\) sei die einelementige Menge \(M_1 := \{a\}\). Dann gilt \[\begin{equation} \mathcal{P}(M_1) = \{\emptyset,\{a\}\}. \end{equation}\]

  • Es sei \(M_2 := \{a,b\}\). Dann hat \(M_2\) sowohl ein- als auch zweielementige Teilmengen und es gilt \[\begin{equation} \mathcal{P}(M_2) = \{\emptyset,\{a\}\, \{b\}, \{a,b\}\}. \end{equation}\]

  • Schließlich sei \(M_3 := \{a,b,c\}\). Dann hat \(M_3\) unter anderem ein-, zwei-, und dreielementige Teilmengen und es gilt \[\begin{equation} \mathcal{P}(M_3) = \{\emptyset, \{a\},\{b\},\{c\},\{a,b\},\{a,c\},\{b,c\},\{a,b,c\}\}. \end{equation}\]

Theorem 2.1 (Kardinalität der Potenzmenge) Gegeben sei eine Menge \(M\) mit Kardinalität \(|M| = n\) und \(\mathcal{P}(M)\) sei ihre Potenzmenge. Dann gilt \(|\mathcal{P}(M)| = 2^n\)

Beweis. Um die Aussage des Theorems zu beweisen assoziieren wir jedes Element \(P\) der Potenzmenge von \(M\) eindeutig mit einer binären Folge der Länge \(n\), wobei der Eintrag an der \(i\)ten Stelle repräsentiert, ob das \(i\)te Element von \(M\) ein Element von \(P\) ist oder nicht. Seien beispielsweise \(M := \{m_1,m_2,m_3\}\) und \(P := \{m_2,m_3\}\). Dann entspricht \(P\) die binäre Folge \(011\). Der leeren Menge \(P := \emptyset\) entspricht die binäre Folge \(000\) und der Ausgangsmenge \(P = M\) entspricht die binäre Folge \(111\). Es ergibt sich also die Frage, wieviele eindeutige binäre Folgen der Länge \(n\) es gibt. Da es für jedes Element der Folge zwei mögliche Zustände gibt, ergeben sich \(n\) Faktoren \(2 \cdot 2 \cdots 2\), also \(2^n\).

In den obigen Beispielen haben wir die Fälle

  • \(|M_0| = 0 \Rightarrow |\mathcal{P}(M_0)| = 2^0 = 1\),
  • \(|M_1| = 1 \Rightarrow |\mathcal{P}(M_1)| = 2^1 = 2\),
  • \(|M_2| = 2 \Rightarrow |\mathcal{P}(M_2)| = 2^2 = 4\),
  • \(|M_3| = 3 \Rightarrow |\mathcal{P}(M_3)| = 2^3 = 8\),

wovon man sich durch Nachzählen der Elemente der entsprechenden Potenzmengen überzeugt.

2.2 Verknüpfungen

Zwei Mengen können auf unterschiedliche Weise miteinander verknüpft werden. Das Ergebnis einer solchen Verknüpfung ist eine weitere Menge. Wir bezeichnen die Verknüpfung zweier Mengen als Mengenoperation und geben folgende Definitionen.

Definition 2.6 (Mengenoperationen) \(M\) und \(N\) seien zwei Mengen.

  • Die Vereinigung von \(M\) und \(N\) ist definiert als die Menge \[\begin{equation} M \cup N := \{x | x \in M \lor x \in N\}, \end{equation}\] wobei \(\lor\) gemäß Definition 1.4 als nicht-exklusives oder, also als und/oder, zu verstehen ist.

  • Der Durchschnitt von \(M\) und \(N\) ist definiert als die Menge \[\begin{equation} M \cap N := \{x | x \in M \land x \in N\}. \end{equation}\] Wenn für \(M\) und \(N\) gilt, dass \(M \cap N= \emptyset\), dann heißen \(M\) und \(N\) disjunkt.

  • Die Differenz von \(M\) und \(N\) ist definiert als die Menge \[\begin{equation} M\setminus N := \{x | x \in M \land x \notin N\}. \end{equation}\] Die Differenz von \(M\) und \(N\) heißt, insbesondere bei \(N \subseteq M\), auch das Komplement von \(N\) bezüglich \(M\) und wird mit \(N^c\) bezeichnet. In diesem Kontext wird \(M\) auch als die Grundmenge oder das Universum bezeichnet.

  • Die symmetrische Differenz von \(M\) und \(N\) ist definiert als die Menge \[\begin{equation} M \Delta N := \{x|(x \in M \lor x \in N) \land x \notin M \cap N\}, \end{equation}\] Die symmetrische Differenz kann also als exklusives oder verstanden werden.

Beispiel

Als Beispiel betrachten wir die Mengen \(M := \{1,2,3\}\)und \(N := \{2,3,4,5\}\). Dann gelten

  • \(M \cup N = \{1,2,3,4,5\}\), weil \(1 \in M\), \(2 \in M\), \(3 \in M\), \(4 \in N\) und \(5 \in N\).
  • \(M \cap N = \{2,3\}\), weil nur für \(2\) und \(3\) gilt, dass \(2\in M, 3 \in M\) und auch \(2\in N, 3 \in N\). Für \(1\) gilt lediglich, dass \(1 \in M\) und für \(4\) und \(5\) gelten lediglich, dass \(4 \in N\) und \(5 \in N\).
  • \(M \setminus N = \{1\}\), weil \(1 \in M\), aber \(1 \notin N\) und \(2 \in M\), aber auch \(2 \in N\).
  • \(N \setminus M = \{4,5\}\), weil \(2 \in N\) und \(3 \in N\), aber auch \(2\in M\) und \(3 \in M\). Dies zeigt insbesondere, dass die Differenz von \(M\) und \(N\) nicht symmetrisch ist, also dass nicht zwangsläufig gilt, dass \(M\setminus N\) gleich \(N \setminus M\) ist.
  • \(M \Delta N = \{1,4,5\}\), weil \(1 \in M\), aber \(1 \notin \{2,3\}\), \(2 \in M\), aber \(2 \in \{2,3\}\), \(3 \in M\), aber \(3 \in \{2,3\}\), \(4 \in N\), aber \(4 \notin \{2,3\}\) und \(5 \in N\), aber \(5 \notin \{2,3\}\).

Abbildung 2.2 visualisiert die in diesem Beispiel betrachteten Mengenoperationen.

Abbildung 2.2: Venn-Euler Diagramme der im Beispiel für \(M := \{1,2,3\}\) und \(N := \{2,3,4,5\}\) betrachteten Mengenoperationen. Die grau hinterlegten Flächen entsprechen jeweils den sich ergebenen Mengen.

Schließlich wollen wir noch den Begriff der Partition einer Menge einführen.

Definition 2.7 (Partition) \(M\) sei eine Menge und \(P := \{N_i\}\) sei eine Menge von Mengen \(N_i\) mit \(i = 1,...,n\), sodass gilt \[\begin{equation} \left(M = \cup_{i=1}^n N_i\right) \land \left(N_i \cap N_j = \emptyset \mbox{ für } i,j = 1,...,n \mbox{ und } i \neq j \right). \end{equation}\] Dann heißt \(P\) eine Partition von \(M\).

Die Partition einer Menge entspricht also dem Aufteilen der Menge in disjunkte Teilmengen. Partitionen sind generell nicht eindeutig, das heißt, es gibt meist verschiedene Möglichkeiten eine gegebene Menge zu partitionieren.

Als Beispiel betrachten wir die Menge \(M := \{1,2,3,4,5,6\}\). Dann sind \(P_1 := \{\{1\}, \{2,3,4,5,6\}\}\), \(P_2 := \{\{1,2,3\}, \{4,5,6\}\}\) und \(P_3 := \{\{1,2\},\{3,4\}, \{5,6\}\}\) drei mögliche Partitionen von \(M\). Abbildung 2.3 visualisiert die in diesem Beispiel betrachteten Partitionen.

Abbildung 2.3: Diagramme der im Beispiel für \(M := \{1,2,3,4,5,6\}\) betrachteten Partitionen.

2.3 Spezielle Mengen

Zahlenmengen

In der Naturwissenschaft versucht man, in der Vorstellung intuitiv als diskret oder kontinuierlich identifizierte Phänomene der Welt mit Zahlen zu beschreiben. Je nach Art des Phänomens bieten sich dazu verschiedene Zahlenmengen an. Die Mathematik stellt unter anderem die in folgender Definition gegebenen Zahlenmengen bereit.

Definition 2.8 (Zahlenmengen) Es bezeichnen

  • \(\mathbb{N}\,\,\, := \{1,2,3,...\}\) die natürlichen Zahlen,
  • \(\mathbb{N}_n := \{1,2,3,...,n\}\) die natürlichen Zahlen der Ordnung \(n\),
  • \(\mathbb{N}^0 := \mathbb{N} \cup \{0\}\) die natürlichen Zahlen und null,
  • \(\mathbb{Z}\,\,\, := \{...,-3,-2,-1,0,1,2,3...\}\) die ganzen Zahlen,
  • \(\mathbb{Q}\,\,\, := \{\frac{p}{q}|p \in \mathbb{Z}, q \in \mathbb{N}\}\) die rationalen Zahlen,
  • \(\mathbb{R}\,\,\,\) die reellen Zahlen, und
  • \(\mathbb{C}\,\,\, := \{a + ib|a,b\in \mathbb{R}, i := \sqrt{-1} \}\) die komplexen Zahlen.

Die natürlichen und die ganzen Zahlen eignen sich zum Quantifizieren diskreter Phänomene. Die rationalen und insbesondere die reellen Zahlen eignen sich zum Quantifizieren kontinuierlicher Phänomene. \(\mathbb{R}\) umfasst dabei die rationalen Zahlen und die sogenannten irrationalen Zahlen \(\mathbb{R}\setminus \mathbb{Q}\). Rationale Zahlen sind Zahlen, die sich, durch Brüche ganzer und natürlicher Zahlen ausdrücken lassen. Dies sind alle ganzen Zahlen sowie die negativen und positiven Dezimalzahlen wie beipsielsweise \(-\frac{9}{10} = -0.9\), \(\frac{1}{3} = 1.3\bar{3}\) und \(\frac{196}{100} = 1.96\). Irrationale Zahlen sind Zahlen, die sich nicht als rationale Zahlen ausdrücken lassen. Beispiele für irrationale Zahlen sind die Eulersche Zahl \(e \approx 2.71\), die Kreiszahl \(\pi \approx 3.14\) und die Quadratwurzel von \(2\), \(\sqrt{2} \approx 1.41\).

Die reellen Zahlen enthalten als Teilmengen die natürlichen, ganzen und die rationalen Zahlen. Es gibt also sehr viele reelle Zahlen. Tatsächlich hat Cantor (1874) bewiesen, dass es mehr reelle Zahlen als natürliche Zahlen gibt, obwohl es sowohl unendlich viele reelle Zahlen als auch unendlich viele natürliche Zahlen gibt. Diese Eigenschaft der reellen Zahlen bezeichnet man als die Überabzählbarkeit der reellen Zahlen. Wir vertiefen diesen Begriff in Kapitel 4. Insbesondere gilt \[\begin{equation} \mathbb{N} \subset \mathbb{Z} \subset \mathbb{Q} \subset \mathbb{R}. \end{equation}\] Zwischen zwei reellen Zahlen gibt es unendlich viele weitere reelle Zahlen. Positiv-Unendlich \(\infty\) und Negativ-Unendlich \(-\infty\) sind keine Zahlen, mit denen in der Standardmathematik gerechnet werden könnte. Sie gehören auch nicht zu den in obiger Definition gegebenen Zahlenmengen, es gelten also \(\infty \notin \mathbb{R}\) und \(-\infty \notin \mathbb{R}\). Komplexe Zahlen eignen sich zur Beschreibung zweidimensionaler kontinuierlicher Phänomene. Dabei werden die Werte der ersten Dimension im reellen Teil \(a\) und die Werte der zweiten Dimension im komplexen Teil \(b\) einer komplexen Zahl repräsentiert. Komplexe Zahlen kommen beispielsweise bei der Modellierung physikalischer Phänomene und im Bereich der Fourieranalyse zum Einsatz.

Wichtige Teilmengen der reellen Zahlen sind die sogenannten Intervalle. Wir geben folgende Definitionen.

Intervalle

Definition 2.9 Zusammenhängende Teilmengen der reellen Zahlen heißen Intervalle. Für \(a,b\in \mathbb{R}\) unterscheidet man

  • das abgeschlossene Intervall \[\begin{equation} [a,b] := \{x \in \mathbb{R}|a \le x \le b\}, \end{equation}\]
  • das offene Interval \[\begin{equation} ]a,b[ := \{x \in \mathbb{R}|a < x < b\}, \end{equation}\]
  • und die halboffenen Intervalle \[\begin{equation} ]a,b] := \{x \in \mathbb{R}| a < x \le b\} \mbox{ und } [a,b[ := \{x \in \mathbb{R}| a \le x < b\}. \end{equation}\]

Exemplarisch stellen wir in Abbildung 2.4 die Intervalle \([1,2]\), \(]1,2]\), \([1,2[\) und \(]1,2[\) grafisch dar. Dabei stellt man sich die reellen Zahlen als kontinuierlicher Zahlenstrahl vor und muss jeweils beachten, ob die linken bzw. rechten Endpunkte Teil des Intervalls sind oder nicht. Wie oben erwähnt sind Positiv-Unendlich (\(\infty\)) und Negativ-Unendlich \(-\infty\) keine Elemente von \(\mathbb{R}\). Es gilt also immer \(]-\infty,b]\) oder \(]-\infty,b[\) bzw. \(]a,\infty[\) oder \([a,\infty[\), sowie \(\mathbb{R} = ]-\infty, \infty[\).

Abbildung 2.4: Darstellung von Intervallen am Zahlenstrahl. Der schwarze Punkt signalisiert dabei, dass die entsprechende Zahl Teil des Intervalls ist.

Kartesische Produkte

Oft möchte man mehrere unabhängige Eigenschaften eines Phänomens gleichzeitig quantitativ beschreiben. Zu diesem Zweck können die oben definierten eindimensionalen Zahlenmenge durch Bildung Kartesischer Produkte auf mehrdimensionale Zahlenmengen erweitert werden. Die Elemente Kartesischer Produkte nennt man geordnete Tupel oder Vektoren.

Definition 2.10 (Kartesische Produkte) \(M\) und \(N\) seien zwei Mengen. Dann ist das Kartesische Produkt der Mengen \(M\) und \(N\) die Menge aller geordneten Tupel \((m,n)\) mit \(m \in M\) und \(n \in N\), formal \[\begin{equation} M \times N := \{(m,n)|m\in M, n \in N \}. \end{equation}\]

Das Kartesische Produkt einer Menge \(M\) mit sich selbst wird bezeichnet mit \[\begin{equation} M^2 := M \times M. \end{equation}\] Seien weiterhin \(M_1, M_2, ..., M_n\) Mengen. Dann ist das Kartesische Produkt der Mengen \(M_1,...,M_n\) die Menge aller geordneten \(n\)-Tupel \((m_1,...,m_n)\) mit \(m_i \in M_i\) für \(i = 1,...,n\), formal \[\begin{equation} \prod_{i=1}^n M_i := M_1 \times \cdots \times M_n := \{(m_1,...,m_n) |m_i \in M_i \mbox{ für } i = 1,...,n\}. \end{equation}\] Das \(n\)-fache Kartesische Produkt einer Menge \(M\) mit sich selbst wird bezeichnet mit \[\begin{equation} M^n := \prod_{i=1}^n M := \{(m_1,,...,m_n)|m_i \in M\}. \end{equation}\]

Im Gegensatz zu Mengen sind die in Definition 2.10 eingeführten Tupel geordnet. Das heißt, für Mengen gilt beispielsweise \(\{1,2\} = \{2,1\}\), aber für Tupel gilt \((1,2) \neq (2,1)\).

Beispiel

Es seien \(M := \{1,2\}\) und \(N := \{1,2,3\}\). Dann ist das Kartesische Produkt \(M\times N\) gegeben durch \[\begin{equation} M \times N := \{(1,1), (1,2), (1,3), (2,1), (2,2), (2,3)\} \end{equation}\] und das Kartesische Produkt \(N \times M\) ist gegeben durch \[\begin{equation} N \times M := \{(1,1), (1,2), (2,1), (2,2), (3,1), (3,2)\} \end{equation}\] Das Kartesische Produkt ist also im Allgemeinen nicht kommutativ, es gilt also nicht notwendigweise, dass \(M \times N = N \times M\). Man mag sich die in diesem Beispiel konstruierten Mengen \(M \times N \neq N \times M\) von Tabelle 2.1 und Tabelle 2.2 konstruieren.

Tabelle 2.1: Kartesisches Produkt \(M \times N\)
\((m,n)\) \(n = 1\) \(n = 2\) \(n = 3\)
\(m = 1\) \((1,1)\) \((1,2)\) \((1,3)\)
\(m = 2\) \((2,1)\) \((2,2)\) \((2,3)\)
Tabelle 2.2: Kartesisches Produkt \(N \times M\)
\((n,m)\) \(m = 1\) \(m = 2\)
\(n = 1\) \((1,1)\) \((1,2)\)
\(n = 2\) \((2,1)\) \((2,2)\)
\(n = 3\) \((3,1)\) \((3,2)\)

\(\mathbb{R}\) hoch \(n\)

Wie oben beschrieben eignen sich insbesondere die reellen Zahlen zur Beschreibung kontinuierlicher Phänomene. Zur simultanen Beschreibung mehrere Aspekte eines kontinuierlichen Phänomens bietet sich entsprechend die Menge der reellen Tupel \(n\)-ter Ordnung, kurz \(\mathbb{R}\) hoch \(n\), an.

Definition 2.11 (Menge der reellen Tupel \(n\)-ter Ordnung) Das \(n\)-fache Kartesische Produkt der reellen Zahlen mit sich selbst wird bezeichnet mit \[\begin{equation} \mathbb{R}^n := \prod_{i=1}^n \mathbb{R} := \{x := (x_1,...,x_n)|x_i \in \mathbb{R}\} \end{equation}\] und wird “\(\mathbb{R}\) hoch \(n\)” gesprochen. Wir schreiben die Elemente von \(\mathbb{R}^n\) als Spalten \[\begin{equation} x := \begin{pmatrix} x_1 \\ \vdots \\ x_n \end{pmatrix} \end{equation}\] und nennen sie \(n\)-dimensionale Vektoren. Zu Abgrenzung nennen wir die Elemente von \(\mathbb{R}^1 = \mathbb{R}\) auch Skalare.

Beispiele

Vertraute Beispiele von \(\mathbb{R}^n\) sind \(\mathbb{R}^1\) als Menge der reellen Zahlen, \(\mathbb{R}^2\) als Menge der reellen Tupel im Modell der zweidimensionalen Ebene und \(\mathbb{R}^3\) als Menge der reellen Tripel im Modell des dreidimensionalen Raumes wie in Abbildung 2.5 visualisiert.

Abbildung 2.5: \(\mathbb{R}^n\) für \(n = 1, n = 2\) und \(n = 3\). Die schwarzen Punkte stellen jeweils ein Element der entsprechenden Menge dar.

Ein Beispiel für ein \(x \in \mathbb{R}^4\) ist \[\begin{equation} x = \begin{pmatrix} 0.16 \\ 1.76 \\ 0.23 \\ 7.11 \end{pmatrix}. \end{equation}\]

Cantor, G. (1874). Über Eine Eigenschaft Des Inbegriffes Aller Reellen Algebraischen Zahlen. Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, 1.
Cantor, G. (1895). Beiträge Zur Begründung Der Transfiniten Mengenlehre. Mathematische Annalen, 46(4), 481–512. https://doi.org/10.1007/BF02124929